Radarfalle für Gross und Klein
Bernhard Paolini, Präsident VSMS
Inhaltsverzeichnis
1. Methoden zur Geschossgeschwindigkeitsmessung
1.1 Definition der Geschwindigkeit
1.2.1 Messung mit Lichtschranken
3.1.4 Diskussion der Messwerte und Folgerungen
3.2.4 Diskussion der Messwerte und Folgerungen
4. 357 Magnum Fabriklaborierungen für das Silhouettenschiessen
1 Methoden zur Geschossgeschwindigkeitsmessung
Wie sehr wahrscheinlich vielen bekannt ist, gibt es verschiedene Methoden zur Messung von Geschossgeschwindigkeiten.Allen liegt zugrunde, dass jeweils eine sehr kurze Zeit sehr genau gemessen werden muss. Dies ist mit der heutigen verfügbaren und sehr schnellen Elektronik kein wirkliches Problem mehr.
1.1 Definition der GeschwindigkeitUm aber eine Geschwindigkeit zu ermitteln, muss die Zeit für eine bekannte oder definierte Distanz messen, da die Geschwindigkeit als v = s/t festgelegt ist. Dabei ist s der zurückgelegte Weg in Meter [m] oder Fuss [ft] und t die dafür benötigte Zeit in Sekunden [s]. Daraus errechnet sich dann die Geschwindigkeit in Meter pro Sekunde [m/s] oder Fuss pro Sekunde [ft/s].
1.2 Technische UmsetzungTechnisch kann das so gelöst werden, dass man das Geschoss ein Startsignal und nach einer definierten Distanz ein Stoppsignal für eine Zeitmessung auslösen lässt.
1.2.1 Messung mit LichtschrankenDie ersten für Freizeit-Wiederlader und –Ballistiker erhältlichen Geräte erzeugten das Start- und Stoppsignal mit einer Lichtschranke für sichtbares Licht, also Sonnenlicht. Diese Systeme funktionieren gut und sind in der Zwischenzeit auch gar nicht mehr teuer. Die wesentlichen Nachteile sind natürlich, dass solche Geräte ihre Funktion bei schwachem oder keinem Licht einstellen und dass diese Lichtschranken vor der Schützenlinie aufgestellt werden müssen. Damit stört man aber beim Einrichten den restlichen Schiessbetrieb im Schiessstand.In den letzten Jahren sind auch Geräte mit Infrarot-Lichtschranken auf den Markt gekommen. Die Start- und Stopp-Lichtschranke beinhalten eine Infrarotlichtquelle und funktionieren darum auch bei Dämmerung oder gar Dunkelheit. Sicher ein wesentliches Vorteil, das man sich aber mit noch mehr Kabelsalat erkaufen muss, da die Infrarotlichtquellen der Schranken eine Stromversorgung benötigen.Beiden Systemen liegt das gemeinsame Nachteil zu Grunde, dass der Messende durch diese Lichtschranken schiessen muss. Hindurch natürlich und nicht in die Schranke hinein. Trotzdem sind schon viele Lichtschranken „erschossen“ worden. Auch der Schreibende hat schon zwei auf dem Gewissen. Die Art der erforderlichen Genauigkeit – nämlich das hindurchfliegen des Geschosses sowohl durch die Start wie auch die Stopplichtschranke verhindert eine Anwendung solcher preiswerten Geräte für Messungen auf grösseren Distanzen. Ist es doch schon ziemlich anspruchsvoll auf 100m durch beide Schranken und nicht in oder neben die Schranken zu schiessen. Die Schranken können ja auch nicht beliebig gross gebaut werden.
1.2.1 Messungen mit InduktionNun ist in den letzten Jahren auch ein System auf den Markt gekommen, das mit Induktionsaufnehmern das Start- und Stoppsignal erzeugt. Dabei durchfliegt das Geschoss ein vom jeweiligen Aufnehmer erzeugtes Magnetfeld und generiert dadurch das Start- und Stoppsignal. Solche Systeme sind – anders als diejenigen, welche mit Lichtschranken messen – unempfindlich gegen aus dem Lauf herausgeschleuderte Pulverpartikel. Auf der anderen Seite müssen die Start- und Stoppschranke an der Waffe nahe der Laufmündung angebracht werden, was nicht immer ganz einfach ist. Vor allem bei Waffen mit kurzen Läufen. Bei nicht korrekter Montage kann auch eine Beschädigung oder Zerstörung durch ein Geschoss nicht ausgeschlossen werden. Auch Messungen auf grosse Distanzen sind nicht möglich. Es ist eine ausschliessliche Mündungsgeschwindigkeitsmessung.
2.1.1 Messungen mit RadarNun ist seit kurzer Zeit ein System auf dem Markt, dass die Technologie der Profis anwendet, aber für den ambitionierten Hobbywiederlader oder –ballistiker erschwinglich ist. Das Gerät wird unter dem Namen „‘LabRadar’“ angeboten. Wie schon der Name vermuten lässt, misst das Gerät die Geschossgeschwindigkeit mit Radar. Diese Art Messung beruht auf dem sogenannten Doppler-Effekt. Es braucht „nur“ einen Sender der Radarwellen einer definierten Frequenz aussendet und einen Empfänger der zurückreflektierte Wellen empfängt und deren Frequenz misst. Je nach der Geschwindigkeit des Geschosses weisen die zurückkehrenden Wellen eine andere Frequenz auf, als die Ausgesandten. Aus der Differenz der Frequenz lässt sich dann die Geschossgeschwindigkeit bestimmen. Dies ist eine ziemliche Rechnerei, wird aber heute dank Elektronik blitzschnell ausgeführt.Bei diesem System sind keine Start- und Stoppsignale notwendig, was natürlich das grosse Vorteile eines solchen Gerätes ist. Denn damit werden Lichtschranken überflüssig. In einem einzigen Gerät sind Sender und Empfänger, Auswertelektronik, Anzeige und alle Bedienungselemente untergebracht. Der Nachteil ist, dass Radarwellen von Gebäuden, Mauern, Blenden etc. reflektiert werden und im schlimmsten Fall zu Störungen führen. Meine Erfahrung in einer kleinen Innenschiessanlage für Druckluftwaffen (Messung bis 10m) und einer Aussenschiessanlage mit komplizierter Geometrie und tief angeordneten Blenden (Messung bis 100m) waren jedoch durchwegs positiv. Das Gerät funktionierte einwandfrei und ohne irgendwelche Störungen.
2. Das ‘LabRadar’ Gerät
Für die Ausführung von Messungen sind neben einem stabilen Stativ und einer SD-Speicherkarte keine weiteren Dinge notwendig. Aus meiner Erfahrung empfiehlt es sich, die soweit gut aufgebaute Bedienungsanleitung mindestens vor dem ersten Gebrauch zu studieren. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels ist diese meines Wissens nur in Englisch verfügbar.
Das Gerät erlaubt die Eingabe von Daten der zu messenden Patrone wie z.B. das Geschossgewicht, woraus dann die kinetische Energie ausgerechnet wird. Leider nur in der US-Einheit ft-lbs und nicht in der metrischen Einheit Joule.Im Weiteren müssen verschiedene Masseinheiten die zur Anwendung gelangen sollen, den Präferenzen des Benützers folgend festgelegt werden. Die Messung wird durch ein eingebautes Mikrofon ausgelöst. Darum muss und kann auch die Empfindlichkeit dieses Mikrofones eingestellt werden. Bei Verwendung von Grosskalibergewehren und Grosskaliberfaustfeuerwaffen empfiehlt es sich die Empfindlichkeit so tief einzustellen, wie ein störungsfreier Betrieb noch möglich ist. Dies verhindert das Auslösen der Messung durch einen anderen Schützen im Stand. Bei Kleinkalibergewehren und Kleinkaliberfaustfeuerwaffen muss die Empfindlichkeit natürlich hochgestellt werden. Für Messungen mit Druckluftwaffen ist ein zusätzliches Mikrofon erhältlich. Mit diesem Zusammen funktioniert das Gerät auch für Druckluftwaffen einwandfrei.Das Gerät kann die Geschossgeschwindigkeit an der Mündung und bei 5 weiteren, durch den Benützer zu definierenden Distanzen messen. Dazu müssen vor Messungen diese 5 Distanzen am Gerät eingegeben werden. Die max. Messdistanz ist vom Geschossdurchmesser abhängig. Bereits ab einem Geschossdurchmesser von 9mm kann bis 100m Distanz gemessen werden. Dies hat beim Schreibenden auf jeden Fall mit einem 357 Magnum-Geschoss (Durchmesser 9.07mm) einwandfrei funktioniert. Ein 22er-Geschoss kann bis ca. 60m gemessen werden. Hier kann der Schreibende noch keine persönlichen Erfahrungen weitergeben.Im Betrieb wird das bereits eingeschaltete Gerät mit einem Knopfdruck „scharf“ gemacht, d.h. das Senden von Radarwellen gestartet.Das Gerät muss möglichst genau auf das zu beschiessende Ziel ausgerichtet werden. Je grösser die Distanz, bis zu der man messen will, desto genauer.Die Erzeugung von Radarwellen benötigt natürlich Energie und darum ist die Betriebszeit mit den Batterien limitiert. Diese kann aber massiv verlängert werden mit Hilfe einer „Powerbank“, welche dann über einen am Gerät vorhandenen USB-Anschluss angeschlossen wird.Die Messdaten werden alle auf einer SD-Karte gespeichert, sofern eine solche eingefügt ist. Die Daten sind im CSV-Format abgespeichert und können ganz einfach in eine Excel-Datei übernommen werden.
3. Messungen
3.1 Druckluftpistole
3.1.1 Messbegebenheiten
Erste Gehversuche mit dem Gerät hat der Schreibende in einer Innenschiessanlage für Druckluftwaffen durchgeführt.·
Die maximale Schussdistanz war 10m.·
Zur Auslösung der Messung wurde das externe Mikrofon verwendet, welches auch einwandfrei funktionierte.·
Der ‘LabRadar’ wurde durch eine „Powerbank“ mit Energie versorgt.·
Die Messdaten auf einer SD-Karte gespeichert.·
Als Waffe wurde eine Morini CM 162EI verwendet.·
Das Geschosskaliber ist 4.49mm und das Geschossgewicht wurde als 7.2 grains gewogen.
3.1.2 Ziel der Messungen
Neben der grundsätzlichen Funktionsweise des ‘LabRadar’s, der Messung der Mündungsgeschwindigkeit und der Geschwindigkeit auf diversen Distanzen bis 10m hat den Schreibenden vor allem interessiert, ob eine Differenz zwischen vollem und fast leerem Druckluftbehälter festgestellt werden kann.
3.1.3 Messwerte
Alle Werte sind Mittelwerte von 10 Schüssen
„Fast leer“ bedeutet, dass die Spannhebelverriegelung der Morini aktiv geworden ist.
4.1.4 Diskussion der Messwerte und Folgerungen
Es lässt sich klar eine Differenz in den Geschwindigkeiten messen. Auf den ersten Augenblick scheint die Differenz von 14 m/s als gross. Diese Differenz existiert nahezu gleich (13m/s) auch bei 10m noch.
Natürlich interessiert es da, ob diese Differenz eine – für einen Sportschützen spürbare – Differenz in der Schusslage ergibt.
Aus den Messdaten des ‘LabRadar’s kann man – mit etwas Aufwand – die Flugzeit des Geschosses für 10m ermitteln.
Es ergibt sich:
Für v0 = 144 m/s Flugzeit t144 = 0.080 s
Für v0 – 130 m/s Flugzeit t130 = 0.074 s
Die Flugzeitdifferenz errechnet sich somit als
Δt = t144 – t130 = 0.080s – 0.074s = 0.006 s
Während dieser Zeit fällt das Geschoss bedingt durch die Schwerkraft wie folgt
y = 0.5 x g x Δt2 = 0.5 x 9.81m/s2 x (0.006)2s = 0.00018 m
y = 0.18 mm
Somit trifft das Geschoss bei fast leerem Druckluftbehälter in der Grössenordnung von 0.2mm tiefer auf die Scheibe als bei neu gefülltem Druckbehälter. Um dies in das richtige Verhältnis zu setzen, muss man sich jedoch bewusst sein, dass der Durchmesser des 10er-Ringes bei der ISSF-Luftpistolenscheibe 11.5 mm beträgt. Die 0.2mm können somit getrost vergessen werden. Selbst mit fast leerem Druckluftbehälter ergeben sich keine Nachteile für den Schützen! Ja, selbst der Innenzehner kann problemlos gehalten werden. Hat dieser doch noch einem Durchmesser von 5.0 mm!
3.2 357 Magnum
3.2.1 Messbegebenheiten
Diese Versuche mit dem ‘LabRadar’ hat der Schreibende in der Aussenschiessanlage von Selgis Shooting im Muotathal durchgeführt.
· Die maximal mögliche Schussdistanz war 100m.
· Der Stand weist sehr tief gesetzte Blenden auf, was zu Wellenreflexionen und damit zu Störungen führen könnte.
· Zur Auslösung der Messung wurde das interne Mikrofon verwendet, das – auf die zweit unempfindlichste Stufe eingestellt – einwandfrei funktionierte.
· Der ‘LabRadar’ wurde durch eine „Powerbank“ mit Energie versorgt.
· Die Messdaten auf einer SD-Karte gespeichert.
· Als Waffe wurde ein Revolver S&W Mod.27-3 im Kaliber 357 Magnum mit 150mm-Lauf (6“) verwendet.
· Das Geschosskaliber ist 9.07mm und das Geschossgewicht war 158 grains.
3.2.2 Ziel der Messungen
Testen der Funktionsweise des ‘LabRadar’s, in einem Stand bei dem Wellenreflexionen eintreten können und Messung der Mündungsgeschwindigkeit und der Geschwindigkeit auf diversen Distanzen bis 100m mit Fabrikpatronen zweier unterschiedlicher Hersteller.
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